Sterben als säkulare Humanisten?

24.12.2021 14:44
avatar  humano
#1
hu

Eine Herausforderung für uns:
Seit einiger Zeit reden ungläubige Freunde (m,w,d) über ihr Sterben.
In Corona Zeiten kommt uns dieser Gedanke näher.
Oft denke ich: der christliche Mensch hat es gut:
er (d,w,m) hört in jedem Gottesdienst und in vielen seiner Gebete über das Sterben und den Tod.
Dabei weiß ich von einer säkularen Hospizfachfrau, daß die Hälfte der Gläubigen vor ihrem Tod nicht über Gott reden;
das heißt dann wohl, daß viele Pfarrer/ Pastoren (w,d,m) am Totenbett ins Leere reden.
Haben wir es da schlechter?
Habe jetzt bei Montaigne gelesen: wir sollen dem Sterben immer nahe kommen.
Wie können wir das machen?
Als Christ betete ich: Herr lehre mich, daß ich sterben muß, auf das ich klug werde.
Jetzt als Humanist denke ich: ich oder es sollte dem Sterben, dem Tod immer nahe sein.
Im Hospiz zu arbeiten habe ich bisher noch nicht geschafft, soll die beste Übung sein.
Eine Aufgabe für uns: besser jetzt damit beschäftigen, als wenn uns unheilbar Corona oder Krebs bedrohen.
Vor zehn Jahren bin mit einem Krebs "dem Düwel von die Schipp gesprungen".
Für uns ist kein Heiland erschienen, was also dann?

fragt sich humano zu Wein-Nachten


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04.01.2022 15:48
avatar  Birgit
#2
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Hallo humano,
ich habe eine Ausbildung zur Hospizbegleiterin gemacht (zur Zeit pausiere ich wg mehr Zeit für eigene Familie) und kann nur bestätigen, was du sagst: dass die intensive Beschäftigung mit Endlichkeit in Kombination mit Achtsamkeite/Bewusstheit irgendwie hilfreich sein kann, bei mir zumindest.
Es gibt ein schönes populärwiss Buch, das darlegt, wie eigentlich jede Art von Sorgen und Stress im Leben irgend was mit Angst vor dem eigenen Ende zu tun hat. (es ist kein anwendbarer Ratgeber).
https://www.penguinrandomhouse.de/Buch/D...uch/e491989.rhd

Ich glaube, man bekommt letztlich einen intensiveren Zugang zu Dankbarkeit und damit Lebensfreude. Klingt paradox, aber im Angesicht des Todes schmeckt das Leben besonders gut, oder? Es geht drum, der Angst nicht auszuweichen im Idealfall, was ich natürlich trotzdem tue :-) - und einfach Spaß haben und nicht ständig grübeln ist schon auch ein Super Rezept.


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08.01.2022 23:05
avatar  humano
#3
hu

Danke, Birgit, habe mir gerade dieses Buch in der Münchner Stadtbibliothek bestellt.
humano


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21.01.2022 21:54 (zuletzt bearbeitet: 21.01.2022 21:57)
#4
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Hallo Humano,
ja, Gedanken zum eigenen Sterben können zu einer Belastung führen. Nachdem ich davon gehört (oder gelesen) habe, dass ich mir meinen Tod in etwa so vorstellen könnte, wie mein Empfinden vor meiner Geburt (nämlich gar kein Empfinden), kann ich das bis dato "Unbegreifliche", meinen Tod, besser gedanklich fassen und bin durch diese Überlegungen beruhigt.
Nicht beruhigend finde ich andere Überlegungen, die mit zunehmendem Alter mir öfter kommen. Es geht um die Zeit bis zu meinem Sterben.
Werde ich nur dahinsiechen mit sehr vielen Einschränkungen und Verlust meiner Handlungsautonomie?
Werde ich auf einen Großteil von Genüssen verzichten müssen, weil ich zu arm sein werde, um mir z.B. ein leckeres Essen zubereiten zu können?
Die mit diesen Fragen verknüpften Antworten beschäftigen mich mehr.
Ich sehe nicht, wie durchschnittlich religiöse Menschen andere, "bessere" Antworten auf diese Fragen nach Gebrechen finden wie wir Humanistinnen (w/m/d). Gibt es religiös begründete Gemeinschaften, die es sich zur Aufgabe gemacht haben und es auch Leben, sich um die Gebrechlichen (egal welches Alter) human und intensiv zu kümmern? Falls ja, wäre dies ein Grund, mich damit näher zu beschäftigen.

Ich schwanke noch in meinem Urteil zu folgendem:
Besuche in Pflegeheimen und in Hospizen klingt gut, ich frage mich nur, ob eine verwandtschaftliche Beziehung nicht nötig ist.
Ich finde es eben jetzt ziemlich dämlich, dass ich meinen Onkel im Pflegeheim nicht besuchen kann, es trennen uns ca. 700 km Luftlinie voneinander.
Ja, anrufen geht schon, ist aber eben weniger als besuchen gehen.
Die Entwicklung, dass viele für ihre Berufe von Ihren Verwandten wegziehen ist eben allgemein gegeben, weshalb nicht-verwandtschaftliches Kümmern stärker benötigt wird (ebenfalls mit zunehmenden Anteil von kinderlosen Paaren oder Singles).
Und ich bin mir noch nicht sicher, ob ich eine Sterbebegleitung so "nebenbei" als Ehrenamt angehen könnte, obwohl ich mir Gedanken zu einer Weiterbildung in diese Richtung mache.


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