Michel Friedmans Buch Fremd

25.11.2022 17:05 (zuletzt bearbeitet: 04.12.2022 17:15)
#1
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Michel Friedman, deutsch-französischer Rechtsanwalt und Publizist, prominenter TV-Moderator und engagierter Repräsentant jüdischen Lebens in Deutschland (u.a. als Stellvertretender Vorsitzender des Zentralrats der Juden, 2000–2003). Es erzählt die eigene und zugleich eine universelle Geschichte über Fremdsein und Ausgrenzung: Ein Kind kommt nach Deutschland – ins Land der Mörder, die die Familien seiner Eltern ausgelöscht haben. Hier wird es bewacht und behütet, es soll unbehelligt Wurzeln schlagen, ein Leben aufbauen. Michel Friedman spricht mit der Autorin Fatma Aydemir (»Ellbogen«, »Dschinns«) vom Aufwachsen in einer als feindlich empfundenen Welt; ein mutiges Buch von großer gesellschaftlicher Bedeutung (Berlin Verlag).

Als Vorbereitung bitte ich darum, die Buchvorstellung im Literaturhaus vor dem TPH anzusehen
https://www.youtube-nocookie.com/embed/yDNZYpcZGTQ

Gerne ergänze ich dazu ein Interview mit M. Friedman in der NZZ
https://www.nzz.ch/feuilleton/fremd-michel-friedman-sagt-was-jude-sein-in-deutschland-heisst-ld.1706529
und verweise auf den folgenden Thread von Humano, der auch, so weit ich mich erinnere, das Thema vorgeschlagen hat.


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11.12.2022 22:18
avatar  humano
#2
hu

humano schreibt:
mein Beitrag zum Thema "Fremd", zunächst hier im Forum.

Zur Begriffsklärung:
fremd Adj. von auswärts stammend, nicht heimisch, nicht zugehörig, unbekannt;
jmd., der aus einem anderen Ort, aus einer anderen Gegend stammt:
Unbekannte, Unbekannter.
Quelle: dwds

Einstieg mit Humor:
Liesl Karlstadt und Karl Valentin: Die Fremden, 1940, Tonaufnahme
https://www.youtube.com/watch?v=-eIY9HnqbN0

Motto von humano:
Fremd ist der Fremde nicht nur in der Fremde
nach Karl Valentin:
Fremd ist der Fremde nur in der Fremde.

humanos Darstellung an sieben persönlich erfahrenen Geschichten:

Die erste Geschichte:
Sinti fremd im eigenen Land:
Ausgegrenzt und benachteiligt - Vorurteile gegen Sinti und Roma, Planet Wissen ∙ ARD alpha, 59 min., vom 17.10.2022 https://www.planet-wissen.de/video-ausge...d-roma-102.html

Die zweite Geschichte:
Fremd unter Fremden in der Fremde
RomnoKher News: Antiziganistische Vorfälle gegen geflüchtete ukrainische Roma in Deutschland
https://www.youtube.com/watch?v=V5F2QZcBZZ4

Die dritte Geschichte:
Fremd in München, fremd unter Bulgaren, fremd unter Türken, fremd unter Muslimen:
Bulgarische muslimische türkischsprachige Roma in München
humano erzählt

Die vierte Geschichte:
Schwarze Deutsche in München:
Tahir Della
https://de.qantara.de/inhalt/brueckenbau...tive-der-vielen
humano erzählt


Die fünfte Geschichte:
Mein albanischsprachiger Nachbar aus Nordmazedonien:
keine Bildung, Diskriminierung, berufliche Ausbeutung
humano erzählt


Die sechste Geschichte:
Fremd aus der Fremde in die Fremde:
Türken und Griechen in Bayern:
ausgebeutet, verachtet, ermordet
Die Taten des NSU
Acht Tuerken (!) ein Grieche und eine Polizistin - Die Opfer der Rechtsterroristen, ARD 2012
https://www.youtube.com/watch?v=E5iiT8Rwhlk


Die siebte und letzte Geschichte:
Die Geschichte des Vaters von humano aus Böhmen:
Reisender zwischen den Welten, überall fremd, überall daheim: ein Weltbürger
humano erzählt


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14.12.2022 17:50 (zuletzt bearbeitet: 14.12.2022 17:54)
avatar  bob
#3
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bob

„Besonders freuen würde ich mich aber Teilnehmende, die eigenen Erfahrungen zum Fremdsein mitbringen und diese mit uns teilen wollen.“ – Wolfgang

Ich beabsichtige hier keineswegs das Werk von Michel Friedman zu banalisieren. Er selbst jedoch spricht immer wieder das universelle Fremdsein an. Da möchte ich anschließen.
Weiters will ich nicht Humanos Einführung aus der Sicht von Befremdeten in Frage stellen -- im Gegenteil.

Ich bin zutiefst überzeugt, dass wir als Fremde auf diese Welt kommen und sie als Fremde wieder verlassen. – Michel Friedman

Mein Vater war amerikanischer Soldat (eingezogen, aber auch Flüchtling von dem Stahlwerk), der im Krieg und danach in Deutschland stationiert war. Meine Mutter war Deutsche (Schneiderin, ist längst Amerikanerin). Ich kam 1951 in Stuttgart zur Welt.
https://www.deutschlandfunk.de/besatzung...en-den-100.html
Mit zwei ging es nach Frankreich, mit fünf nach USA, mit sieben nach Aschaffenburg, mit neun nach Stuttgart, 1962 mit elf nach Virginia, wo ich Schule und Uni absolvierte und bis 1984 arbeitete.
Ich erinnere mich nicht an Fremdsein vor Virginia, aber dann erheblich. Ich konnte den Dialekt (southside Virginia) nicht ausstehen und orientierte meine Sprache an die TV-Nachrichtensprecher.
Aus meiner Vergangenheit waren Freundschaften sowieso nur vorübergehend (alle zwei Jahre woanders). Ich hatte kein Heimatgefühl und, wenn mich heute jemand frägt, daher kein Heimweh.
1963 war die Ermordung von John F. Kennedy. Schule wurde geschlossen und wir wurden zu den Bussen geschickt. Im Bus sprach ein Mitschüler das Attentat an: „Geschieht im Recht, dem Negerliebhaber!“ Ich sprang auf von meinem Sitz und stieß diesen Schüler zum Boden und habe ihm mit Fäusten sein Gesicht poliert. Mehrere andere Schüler haben mich von ihm heruntergezogen. Meine erste antirassistische Aktion.
Ich habe mich an den Schulen als Streber behauptet. Ich glaubte (irrtümlich), ich könnte Dazugehörigkeit verdienen. Bei Friedmann glaube ich, eine ähnliche Motivation zu erkennen.
Ich lieferte an meiner High School – 50% Militär und 50% Bauern – einen Vortrag gegen den Vietnamkrieg. Ich habe gegen Nixon an der Schule eingesetzt.
Zur Uni kam ich 1969, als erster in meiner Arbeiterfamilie. Ich wurde Aktivist in der Antikriegsbewegung. Meine langen Haare brachten mir oft Diskriminierung. Der gefährlichste Fall war, dass ich auf dem Fahrrad von einem Sattelschlepper überholt wurde, der sofort rechts abbog; hinten trug er einen Aufkleber: „America, love it or leave it“. Mit dem linken Arm und aller Kraft hielt ich mich am Rand des Anhängers fest, um zu verhindern, dass ich unter die Räder komme.
In der Unistadt arbeitete ich mit Koalitionen, die soziale Einrichtungen aufbauten, die heute noch bestehen. Zum ersten Mal fühlte ich mich daheim.
Nach Abschluss der Uni fand ich eine Stelle im Umkreis der Großstadt Washington (fünf Autostunden entfernt), und wieder war ich fremd. Meinen Anschluss fand ich jedoch über internationalen Volkstanz.
1984 übersiedelte ich nach Traunkirchen in Oberösterreich. Dort war ich ewig fremd: nicht katholisch, nicht in der Kirche, nicht beim Frühschoppen, nicht bei der Feuerwehr, nicht beim Schützenverein, nicht beim Stammtisch. 2004 nach 20 Jahre zog ich weg nach Vöcklabruck. Dort fand ich Anschluss, besonders über Mauthausen Komitee, aber ich blieb fremd.
2016 zog ich nach Seefeld in Bayern. In Deutschland wie in Österreich erlebe ich kaum Nachteile aufgrund fehlender EU-Staatsbürgerschaft. Doch „angekommen“, wie es Friedman formuliert, bin ich auch nicht.
Meine zwei Brüder (2 bzw. 5 Jahre jünger) dagegen sind in Virginia gut angekommen und wurden runtergezogen in den Sumpf der Trumpwähler.

Lou Reed (Sohn russischer Juden), „Small Town“:
https://www.youtube-nocookie.com/embed/O6L0UD_zn4A
“Only one good use for a small town: You hate it and you know you’ll have to leave.”

https://www.ardmediathek.de/video/das/da...YjdhZjY5M2QwOGI
Besonders zu Schindler: Wenn Schindler unter Diktatur Widerstand leisten konnte, dann warum nicht wir in der heutigen Demokratie?? Recht hat er!!


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