Inhalt des Abends

12.09.2023 08:19
#1
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Erwin schreibt:

Geo-Engineering oder Climate-Engineering – ein Sammelbegriff für großskalige technische Eingriffe in das Klimasystem der Erde – wird zunehmend als Option im Kampf gegen den anthropogenen Klimawandel diskutiert. Wie die Definition andeutet, hat jeder Einsatz von Climate Engineering mit entsprechend großtechnologischen Verfahren potenziell globale Auswirkungen: Weltweit würden das Klima- und Ökosysteme verändert, und damit die Umwelt ganzer Gesellschaften. Aus diesem Grund greift eine rein naturwissenschaftlich-technologische oder ökonomische Betrachtung der Thematik viel zu kurz, gerade weil so viele Umweltmedien, Gesellschaften und menschliche Lebensbereiche, ja die ganze Biosphäre durch das Climate Engineering beeinträchtigt werden.

Ich werde schwerpunktmäßig die erste Frage beantworten durch eine Darstellung der Methoden von GE. Zur zweiten Frage zeige ich die Gefahren von GE auf und weise auf erste Erfahrungen mit Versuchen zu GE hin. Diese zweite Frage wird Gegenstand unserer Diskussion sein, wobei sich die Frage nach einem Ausweg aus der Klimakatastrophe anschließt.


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19.09.2023 11:48
avatar  Franz Wagner ( Gast )
#2
Fr
Franz Wagner ( Gast )

Bei der Diskussion um das Geoengineering steht mMn eine Frage im Vordergrund: Welches Risiko können wir verantworten bei der Anwendung neuer Technologien? Immerhin geht es um die Milderung einer weltweiten Klimakatastophe, deren Auswirkungen, um es auf den Punkt zu bringen, wahrscheinlich kaum hinter einem nuklearen Weltkrieg nachstehen. Der entscheidende Unterschied ist der Zeitrahmen.

Was muss aber ein Bürgermeister oder eine Regierung verantworten? 1. die nächste Wahl nicht zu verlieren, 2. einer befürchteten Entwertung der Grundstückspreise z.B. durch Windräder oder nukleare Anlagen oder Hochspannungsleitungen in jeweiligen Gebiet zu verhindern. 3. Die Bevölkerung mit der international bekannten German Angst auf Linie zu halten.

Leider wird das Schüren von Angst vielfach als Übernahme von Verantwortung verkauft. Keine Frage, dass der Staat seine Bürger schützen muss, aber wovor? Da scheint mir doch ein unbeherrschbarer Klimawandel die größte Gefahr zu sein, nicht für uns Rentner, aber für unsere Enkel. Für diese will man aber offenbar kein Risiko eingehen und verbietet bestimmte Gentechniken, Fracking, Kernenergie, Geoengineering und CCS. Zu der im Vortrag erwähnten Anlage "Schwarze Pumpe" zur Abscheidung von CO2 aus den Abgasen eines Braunkohlekraftwerks ist zu bemerken, dass diese Anlage 2014 stillgelegt und danach nach Kanada verkauft wurde, um jeglicher Rechtfertigung für die Verwendung fossiler Energie den Boden zu entziehen! Selbstverständlich läuft das Kohlekraftwerk jetzt ohne Abscheidung weiter; denn die Energie wird ja gebraucht (ja, ja, ich weiß, nur bis 2030, ganz sicher). Mit einer derartigen Politik ist Deutschland nach Polen zum größten CO2-Ausscheider in Europa geworden. Kann man das verantworten im Hinblick auf die Entwicklung des Klimas? Haben wir wirklich so viel Zeit? Als ehemaliger langjähriger Mitarbeiter in den Forschungsreaktoren in Garching, zeitweise als Chef des Strahlenschutzes, gehe ich bei jeder Bedrohung sofort auf die sichere Seite. Aber, um im Bild zu bleiben, die Bedrohung bestand für mich nicht in einem lokalen Verfall der Grundstückspreise, sondern in der möglichen Bedrohung der Gesundheit der Mitarbeiter, abgesehen von der verheerenden Außenwirkung, die ein Ereignis ab einer bestimmten Klasse gehabt hätte (z.B. Eilmeldung an den Landtag). Aber ich konnte das durchaus bestehende Risiko immer nur minimieren, nicht zu Null machen.

Hier setzt die Bewertung ein: Grüne folgern aus der unerfüllbaren Null-Risiko-Forderung einfach, dass ein Reaktor nicht gebaut werden darf. Und diese Logik, so befürchte ich, gilt auch für das Geoengineering. Welche Risiken birgt es im Verhältnis zu der abzuwendenden Gefahr? Ist die Klimakatastrophe nicht real? Wie können dann Maßnahmen, die helfen könnten, verboten werden? Hier werden theoretische Risiken einer Technologie als Totschlagargumente benutzt. Dabei wurde im Vortrag klar, dass es eher um die Konkurrenz zu anderen Maßnahmen geht als ums Klima. Geoengineering kann und wird nicht sofort und ungeprüft global eingesetzt werden. Also kann man es schrittweise testen und bei Bewährung ausweiten. Offenbar wirkt es außerdem nur für eine beschränkte Zeit. Das ist aber ein schwaches Gegenargument; denn man kann die Maßnahme, soweit wirtschaftlich leistbar, wiederholen solange man sie braucht. Denn eines scheint mir sicher: Wir haben keine Zeit mehr, es ist, wie ganz richtig bemerkt, nicht 5 vor sondern 5 nach 12. Und: There is no free meal in the world. Es gibt nichts geschenkt, insbesondere nicht ohne irgendein Restrisiko. Das muss abgewogen werden. Die jeweiligen Interessengruppen ("Öl-Lobby, "Windkraft-Lobby" etc.) vertreten mMn weniger langfristige Klimainteressen als ihre eigenen, vor allem politische und finanzielle. Sie sind nicht berufen für eine Priorisierung bestimmter Maßnahmen wie sie der Weltklimarat IPCC vorschlägt. Aber genau das passiert z.Z. in Deutschland. Priorität muss aber das Klima haben, dazu kommen Aspekte der Energieversorgung, der wirtschaftlichen Stärke (ohne diese können wir überhaupt nichts mehr bewirken) und gesellschaftliche Aspekte.

Zum Schluss noch: Die 1,5°Celsius (es sollte eigentlich Kelvin, K, heißen, da es sich um eine Temperaturdifferenz handelt), sind ein gewichteter globaler Mittelwert. In Europa und auf der Nordhalbkugel sieht es leider schon viel schlechter aus: Auf Spitzbergen ist man heute schon bei ca. 8 (!) K , in den Alpen bei oder über 2 K, am Polarkreis irgendwo dazwischen. In Anbetracht dieser Tatsachen darf gerade in Europa keine halbwegs erfolgversprechende Maßnahme unterdrückt werden, sondern es ist ein Zusammenwirken gefragt statt Konkurrenz um Fördergelder. Z.B. ergänzen sich erneuerbare Energien (EE) und Kernkraft in Hinblick auf CO2, Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit etc. in bester Weise (und tun es bereits, indem Frankreich Atomstrom nach Deutschland liefert und D EE nach Frankreich). Ebenso soll Geoengineering nicht in Konkurrenz, sondern als möglicher Baustein im Kampf gegen die voranschreitende Klimakrise gesehen werden. Die Frage "Können Sie mit Sicherheit ausschließen, dass ..." muss bei der realen Bedrohung keineswegs mit Ja beantwortet werden. Wir haben viel Jahrzehnte sehr gut gelebt. Jetzt ist die Rechnung fällig, nicht nur finanziell, sondern auch in Form von unvermeidbaren Risiken.


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26.09.2023 12:54 (zuletzt bearbeitet: 26.09.2023 12:55)
#3
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Franz hat (#2) überzeugend und in dankenswerter Weise dargelegt, dass wir angesichts der durch die Klimakatastrophe drohenden existentiellen Gefahren nicht die Wahl haben, alle möglichen Risiken des Geoengineering auszuschließen. Falls wir den Kampf gegen die Klimakatastrophe ohne bestimmte Arten des Geoengineering nicht gewinnen können, werden wir die damit verbundenen Risiken eingehen müssen.

Wir müssen aber im Kampf gegen die Klimakatastrophe nicht alles tun, was möglich ist, sondern alles, was nötig (d.h. was geeignet, erforderlich und verhältnismäßig) ist. Und wenn wir in diesem Kampf vorangehen wollen, weil einige voran gehen müssen, wenn eine Aufgabe nur global, also in Kooperation aller bewältigt werden kann, dann ist das letztlich nur dann klimawirksam, wenn andere uns folgen, weil sie unser Beispiel nachahmenswert finden.

Wenn wir aber, wie es derzeit bei uns verbreitet ist, aufgerufen werden, die Treibhausgasemissionen auf nationaler Ebene so schnell wie technisch möglich auf Null zu bringen, dann laufen wir Gefahr, unser Land zu deindustrialisieren und in eine ökonomische und politische Katastrophe zu stürzen. Auf diesem Weg werden andere uns dann gewiss nicht folgen wollen.

Es gilt also zu überlegen, welche Maßnahmen tatsächlich wirkungsvoll und in den Augen anderer nachahmenswert sind. Mir fällt dazu ein, dass es gerade dann, wenn es sehr schnell gehen muss, eine gute Strategie ist, die tiefhängenden Früchte zuerst zu ernten, weil das mit den geringsten Kosten (und ökonomischen Folgeschäden) die größte Wirkung erzielt. Eine sehr große Wirkung erzielen wir global (und nur darauf kommt es an), wenn wir versuchen dazu bei zu tragen, dass alle Kohlenstoffreservoire dieser Erde soweit wie möglich im Boden bleiben. Damit sollten wir am besten bei unserer heimischen Braunkohle beginnen.

Aber das reicht bei Weitem nicht aus. Wie können wir dazu beitragen, dass die riesigen Kohlevorkommen im Ausland (Südafrika, Australien, etc.) in der Erde bleiben und nicht (wie derzeit in großem Umfang in Südafrika) exportiert oder zu synthetischem Benzin verarbeitet werden. In einem Land, in dem praktisch ganzjährig die Sonne scheint und riesige Flächen (wie die Karoo) für Photovoltaik bisher weitgehend ungenutzt zur Verfügung stehen. Ähnliches gilt für die großen Wüsten dieser Erde. Durch unsere Investitionen in diesen Ländern können wir für das Klima weit mehr erreichen als mit entsprechend hohen Investitionen im eigenen Land, wo man im Winter heizen muss, weil die Sonne nicht scheint.

Global gesehen ist es fragwürdig, das Ziel zu verfolgen, die Treibhausgasemissionen in allen Ländern in gleichem Maß zu reduzieren, weil die Kosten dieser Reduktion nicht in allen Ländern gleich hoch sind.


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