Spielfilm "Gott" von Ferdinand von Schirach
Spielfilm "Gott" von Ferdinand von Schirach
Der 78-jährige ehemalige Architekt Richard Gärtner möchte seinem Leben ein Ende setzen. Dies soll jedoch nicht im Ausland, sondern ganz legal mit der Hilfe seiner Hausärztin geschehen. Für Dr. Brandt kommt es aus persönlicher Überzeugung nicht infrage, ihrem zwar betagten, aber gesunden Patienten ein todbringendes Präparat zu besorgen. Richard Gärtners Fall wird exemplarisch vor dem Deutschen Ethikrat diskutiert. Strittig ist dabei nicht die Frage, welche Formen von Sterbehilfe für Ärzte straffrei sind, sondern ob Mediziner dem Patientenwunsch eines Lebensmüden gerecht werden müssen – egal ob jung, alt, gesund oder krank. Ethikrat-Mitglied Dr. Keller befragt die Sachverständigen und lässt so die unterschiedlichen Experten zu Wort kommen. Die Verfassungsrechtlerin Prof. Litten und der Anwalt von Richard Gärtner stehen Bischof Thiel und Ärztekammerchef Sperling dabei mit unterschiedlichen Meinungen gegenüber. Am Ende richtet sich die Ethikrat-Vorsitzende direkt an das Publikum: Soll Richard Gärtner das tödliche Präparat bekommen, um sich selbstbestimmt das Leben zu nehmen?
#2
Link zum Spielfilm "Gott" von Ferdinand von Schirach Video verfügbar: bis 23.12.2020 ∙ 23:59 Uhr
ARD Mediathek Spielfilm Gott
Video verfügbar:
bis 23.12.2020 ∙ 23:59 Uhr
Ich habe mir diesen Film angeschaut: Schirach kann wirklich gut dramatisieren.
Meine Meinung: kein mensch gehört sich alleine. Wir leben alle in gesellschaftlichen Zusammenhängen. Scheidet ein mensch durch Suizid oder durch einen natürlichen Tod aus fehlt ein Stück der Welt. Natürlich hat jede/r das Recht "Hand an sich zu legen". In den 70er Jahren hat mich dieses Buch von Jean Améry beeindruckt. Heute fühle ich mich mehr verstanden von Oliver Tolmein: "Keiner stirbt für sich allein: Sterbehilfe, Pflegenotstand und das Recht auf Selbstbestimmung".
Notizen zum Film:
Soll ein Mensch wie Hr. Gärtner einen Anspruch darauf haben, dass ihm Ärzte dabei helfen, sein Leben zu beenden?
Darf mensch einem gesunden Menschen ein tödliches Medikament verabreichen?
Arten von Sterbehilfe:
1) aktive (Todesspritze, Tod auf Verlangen)
2) indirekte (lebenskürzende Wirkung eines Medikamentes, e.g. Morphin)
3) Beihilfe zu Suizid
4) passive Sterbehilfe (Behandlungsabbruch)
Höchstes Gericht hat das Recht auf selbstbestimmtes Sterben Feb. 2020 gesprochen.
Es gibt kein Rechtspflicht zu leben.
Keller: "immer der Anfang" ==> Nazi-Morde
Witten: nein, das ist fremdbestimmt
Keller: Dammbruch-Argument
Dr. Sperling: ging nur im Kreis mit "Leben erhalten, Leiden lindern"
Bischof: Dammbruch-Argument, Abwehr von "unwertes Leben"; dogmatisch verklemmt
Anwalt: war ein Traum, aber zu gut, um wahr zu sein, als ob er nur diesen einen Fall das ganze Jahr bearbeiten müsste.
Vorbildliche Attacke auf Religion, Glauben, Bibel -- aber es ging zu weit für diesen Fall.
Bob
Herr Gärtner meint er sei "einfach nur traurig". Es heißt eine relevante psychische Erkrankung habe im Rahmen zweier Fachbegutachtungen nicht erkannt werden können. Da wird es für mich schwierig. Zumal "Herr Gärtner" im Film als ein depressiver Mensch dargestellt wird. Er ist eben nicht "einfach nur traurig", bestenfalls zeigt er die Merkmale einer sogenannten Komplizierten Trauer, was aber eine behandlungsbedürftige psychische Störung wäre.
Der deutsche Ethikrat (Andreas Kruse) geht von einer Rate von 90% psychisch Erkrankter unter den Anwärtern auf Sterbehilfe aus. Er sagt man müsse den Betreffenden ein Behandlungsangebot machen.
Das klingt gut und richtig. Aber erkrankungs- und systembedingt werden diese Angebote oft nicht angenommen. Und dieser (für 90% relevante) Aspekt wird m. E. viel zu wenig diskutiert. Da sehe ich eine Menge Tragik.
Hallo Felix,
ich habe mich beim Anschauen des Films auch gefragt, wie man das wirklich ausschließen kann, ob jemand "eine relevante psychische Erkrankung" hat, und habe darauf vertraut, dass die begutachtenden Ärzte sich da schon entsprechend bemühen würden und auch Zweifel formulieren würden in so einem Gutachten. Die hohe Prozentzahl 90% psychischer Erkrankungen bei Wunsch nach Sterbehilfe erstaunt mich jetzt schon. Aber trotzdem bleibe ich wieder bei der Frage hängen: darf man jemandem diese Hilfe verweigern, wenn er sich nicht behandeln lassen will? Natürlich nicht einfach so, aber nach eingehender Beratung durch unterschiedliche Fachleute, Einhaltung bestimmter Fristen usw.
Isolde
....da hast Du recht: Relevante Psychopathologie ausschließen, das kann man hier garnicht leicht.
Problem ist auch, dass die Skepsis gegenüber Behandlungsangeboten aller Art, wesentliches Merkmal vieler psychischer Erkrankungen/Problematiken ist. Da hilft dann noch eher, dass eine längere zeitliche Beständigkeit des Todeswunsches verlangt wird (da sich z. B. ein erheblicher Teil der Depressionen spontan bessert).
Und die geeigneten Behandlungsangebote liegen wirklich nicht nahe. Die Psychotherapeuten sind alle mehr als ausgebucht. Kaum jemand mag einen Patienten ohne intrinsische Motivation behandeln. Dass Angebot was gemacht werden müsste, wäre ohnedies eine oder mehrere soziale Beziehungen, die weitergehendes Interesse beinhalten, plus ein Vermitteln von nachhaltiger Wertschätzung und Gebraucht-werden. Wie will man das schnell herbringen? Ich gehe so weit, dass ich die Abwesenheit solcher Gegebenheiten als krank im weitesten Sinne (Gesellschaft) bezeichnen würde.
Aufgrund dessen mit der Sterbehilfe großzügiger zu sein, ist vielleicht folgerichtig aber sicher ein hochproblematisches Signal.
Danke, Scottie,
das beruhigt mich.
Das erinnert mich daran, daß eine meiner Tanten so unterstützt zu Hause starb.
Eine Fachkraft war 24 Stunden da, meine Kusine kam täglich.
Meine Kusine und ich haben täglich telefoniert, auch noch Wochen nach dem Tod ihrer Mutter.
Diese Zeit fand ich sehr bereichernd für mich.
Es hat mich sehr ruhig gemacht.
humano
#11
#12
Ist es wirklich erstrebenswert, die Menschen unter allen Umständen vor ihrem eigenen, mutmaßlich verfehlten ("unbegründeten") Sterbewunsch zu schützen? Wir schützen doch die Menschen auch nicht vor anderen selbstschädigenden Verhaltensweisen (Drogenkonsum, Risikosport, etc.), die oft zu langem Leiden (Krankheit, Behinderung, etc.) führen, weil wir das als eine unzulässige Beschränkung ihrer Freiheit ansehen.
Die Realisierung sogar eines „objektiv“ verfehlten Sterbewunsches durch eine leidfreie Suizidassistenz hat dagegen kein oder höchstens minimales Leid für den Sterbewilligen zur Folge, weil der Verstorbene seinen Tod nicht mehr bedauern kann.
Natürlich müssen wir verhindern, dass der sprichwörtliche 17-jährige aus Liebeskummer mit unserer Hilfe stirbt, weil die Erfahrung dafür spricht, dass sein Sterbewunsch eine Eintagsfliege ist. Wenn aber ein (auch körperlich gesunder) Mensch "seines Lebens müde" geworden ist, dann wird ein leidfreier Tod für diesen Menschen häufig die lang ersehnte Erlösung vom Leben sein, auch wenn seine „Müdigkeit“ auf einem „objektiven“ Irrtum (z.B. auf einer therapieresistenten Depression) beruht. „Des Menschen Wille ist sein Himmelreich“, besonders wenn es sein nachhaltiger Wille ist, auch wenn dieser Wille nicht frei sein sollte.
"Die Realisierung sogar eines „objektiv“ verfehlten Sterbewunsches durch eine leidfreie Suizidassistenz hat dagegen kein oder höchstens minimales Leid für den Sterbewilligen zur Folge, weil der Verstorbene seinen Tod nicht mehr bedauern kann."
Dafür sind die Auswirkungen auf Andere nicht zu unterschätzen: In dem Moment in dem Du durch Suizid aus dem Leben scheidest, erhöht sich das Suizidrisiko für Deine Kinder signifikant (und dies bezieht sich leider nicht nur auf vergleichbare Szenarien).
Auch sehe ich die gesamtgesellschaftliche Signalwirkung kritisch, wenn wir die Lebensmüdigkeit Einzelner allzu bereitwillig tolerieren. Es wird m. E. zu wenig die potenzielle Veränderbarkeit dieser Zustände diskutiert. Der Aufwand der hierfür oft erforderlich wäre, würde unsere Gesellschaft allerdings vor weit größere Herausforderungen stellen als die erhöhte Toleranz gegenüber Lebensmüdigkeit.
#14
Lieber Felix, Du schreibst ganz richtig: "Es wird m. E. zu wenig die potenzielle Veränderbarkeit dieser Zustände diskutiert. Der Aufwand der hierfür oft erforderlich wäre, würde unsere Gesellschaft allerdings vor weit größere Herausforderungen stellen als die erhöhte Toleranz gegenüber Lebensmüdigkeit."
Und ich meine: Das ist alles schöne Theorie. Solange unsere Gesellschaft nicht (wirklich mit Taten!) bereit ist, diese Zustände tatsächlich zu verbessern, schuldet unsere Gesellschaft den Betroffenen einen tatsächlich in Würde gangbaren Ausweg. Ich fordere nur, dass dieser würdige Ausweg jedem und jeder tatsächlich gangbar und gesetzlich geregelt zur Verfügung stehen muss. Niemand darf gedrängt werden, diesen Ausweg zu gehen. Und wenn dieser Ausweg dann eines Tages uns allen wirklich zur Verfügung steht, dann sollten wir immer noch alles in unserer Macht stehende tun, um möglichst viele Betroffene davon abzuhalten, diesen Ausweg tatsächlich zu gehen.
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