Unterthema: Die Debatte um J. Franzens pessimistische Thesen

31.01.2021 18:37 (zuletzt bearbeitet: 31.01.2021 21:08)
avatar  Uhu
#1
avatar
Uhu

Jonathan Franzen, den ich als Romanautor sehr schätze, hat sich 2019 (und auch schon davor) sehr pessimistisch geäußert über unsere Chancen, die Klimaziele noch zu erreichen: Lieber vorsorgen für das, was da auf uns zukommt! Ich füge zwei PDF-Dateien an, in die ich einmal den Originalartikel kopiert habe, zum anderen zwei deutsche Stellungnahmen dazu.
Ferdinand

31.01.2021 20:55
avatar  humano
#2
hu

Hallo Uhu,
schön, daß du die Kritik von Jonathan Franzen eingeführt hast.
Ja, ich schätze ihn auch als Romanautor und als Ornithologe.
Jetzt freue ich mich auch, daß er die Gegenposition zu FfF eingenommen hat.
Das ist nicht einfach, ohne gesteinigt zu werden.
Ja, er ist ein Kulturpessimist.
Auch humano ist der Meinung, daß das Klima und damit auch die ganze Welt in toto nicht gerettet werden kann.
Das ist eben die neue Religion, die Welt zu retten.
Viele junge Leute sind die Gläubigen.
Ich bin auch dafür, die Menschen, die jetzt existieren, leben und überleben zu lassen.
Abstrakte Ziele wie die Kennzahlen einer Klimapolitik können nur so abgeschottete Staaten wie Deutschland folgen.
Diese Klimapolitik wird Diktaturen wie China nicht davon abhalten, laufend neue Millionenstädte zu bauen und jeweils ein AKW daneben zu stellen.
Und wenn Jonathan Franzen nicht richtig liegen würde mit seiner Position so brauchen wir doch seine dialektische Stellungnahme.
Die ständige Lobhudelei von Greta Thunberg geht mir auf die Nerven.
Entschuldigt meine heftigen Worte.
humano


 Antworten

 Beitrag melden
04.02.2021 12:31 (zuletzt bearbeitet: 04.02.2021 12:35)
avatar  Guido
#3
Gu

Hallo,

ich hab vor 30 Jahren mit dem Studium der Umweltverfahrenstechnik begonnen, da ich dachte, hier wäre etwas gerade zu biegen. Die bei uns gängigste Methode lautet "end of the pipe". Nachdem wir irgendeinen Giftstoff erzeugt haben, machen wir uns Gedanken wie wir ihn entsorgen. Der Katalysator im Auto ist ein gutes Beispiel. Schon das Wort "entsorgen" sagt alles, der Dreck ist noch da, aber macht mir keine Sorgen mehr. Dabei liegt die offensichtliche Antwort auf der Hand. Lass uns eine Methode finden, bei der wir ohne den Giftstoff auskommen. Auch hier wird gern das Argument gebracht: lass das mal die Fachleute diskutieren, dafür bist du viel zu doof. Was für eine Arroganz. Ich brauch doch nicht Medizin studiert zu haben, um zu merken dass ich krank bin. Vielleicht ist es sogar ein Vorteil noch nicht durch die weltweite Wissenschaftsmaschinerie den möglichen Lösungsraums eingeschränkt bekommen zu haben. Und wenn ein 16 jähriges Mädel mit diagnostizierter psychischer Krankheit die Welt zum Beben bringt, dann sollte doch für jeden Nichtfachmann ganz offensichtlich sein: wir beschreiten hier den falschen Weg. Ich habe wirklich einen garstigen Humor, aber so viel Zynismus kann ich gar nicht mobilisieren, um mich über diese junge Dame lustig zu machen. Sie hat recht. Offenbar brauchen wir eine "16-jährige Bekloppte", die uns die Wahrheit sagt. Wer ist hier eighentlich der mit der Krankheit?

Inzwischen sehe ich das ähnlich fatalistisch wie Franzen. Ich glaub wir haben bereits verloren und keine Antworten. An dieser sogenannten Coronakrise kann man das ganz deutlich beobachten. Die Mehrheit würde das als die größte Krise nach dem 2. Weltkrieg bezeichnen. Aber hey, wir bekommen Benzin, Alkohol, Zigaretten, sogar Klopapier ist in ausreichemdem Masse verfügbar. Unsere Häuser werden nicht beschossen, die allgemeine Sicherheitslage ist hervorragend. Uns geht es in der "Krise" besser als den meisten Flüchtlingen in sogenannten sicheren Herkunftsländern. Worin besteht denn die Krise? Dass wir uns daheim besaufen müssen und dafür nicht in die Kneipe gehen können. Mann, wir haben echt viel zu verlieren.

Fachmann hin Laie her, ich glaube an die wichtigste aller Kompetenzen: "gesunder Menschenverstand in Anwendung" und die gibt doch die Marschrichtung vor: Entschleunigung. Dafür muss ich doch kein Akademiker sein.

Corona ist keine Krise, sondern ein Symptom. Unser Entwicklungshilfeminister, keiner kennt ihn, Müller heißt er, hat vor ein paar Monaten mal gesagt, sein Ministeruim hat 40 potentielle Erreger einer weltweiten Pandemie auf dem Schirm, Corona war nicht dabei. Das was wir gerade durchleben, ist ein sehr realistischen Szenario. Nicht umsonst haben ein paar sehr berühmte und sehr erfolgreiche Geschäftsleute ihre Kohle in Pharmafirmen gesteckt. Die haben das Potential schon vor 20 Jahren erkannt. Das hat nichts mit Verschwörung zu tun, die mussten nur warten, bis das ohnehin sehr wahrscheinliche Ereignis von allein eintritt. Die wussten halt damals schon, dass sie es noch erleben.

Wir haben so dermaßen keine Antworten auf die bevorstehenden Gefahren.

Die Krisenursache liegt doch auf der Hand: wir sind zu viele Menschen und mit einem selbstzerstörerischen Wirtschaftssystem unterwegs. Daraus muss man meiner Ansicht zwei Strategien ableiten. Eine kurzfristige zur Symptombewältigung und soweit wir die Zeit noch haben, eine langfristige zum Rückbau. Und eine der möglichen Sofortmaßnahmen wäre es, den individuellen Straßenverkehr komplett runter zu fahren. Auf null, sofort. Boh spätestens jetz wirds auch für mich unangenehm, ich hab ja auch ein Auto. Aber lasst euch mal auf der Zunge zergehen, was ein Parkhaus bedeutet. Wir bauen Hochhäuser in bester Immobilienlage um die Autos dort abzustellen, die wir gerade nicht benötigen, weil sie uns eigentlich ohnehin im Weg sind. So lange wir so einen Mist treiben, haben wir kein Wohnungsproblem. Innehalb des Mittleren Rings existieren 100.000 freie Parkplätze: 2x6 m jeder, rechnet selbst, da bringe ich ein paar Tausend Familien unter. Und jetz verrate ich euch noch ein lange gehütetes Geheimnis, aber nicht verraten: das was da hinten aus dem Auspuff kommt, ist giftig. Wir sollten das nicht einatmen. Die höchste Schadstoffkonzentration ist in etwa in einem Meter, das ist die Nasenhöhe von Kindern. Ich hab mein Kind ja so lieb.

Deutschland einig Autoland.

Eric Schmid hieß vor ein paar Jahren der Vorstandsvorsitzende von Google (damals hießen sie noch nicht Alphabet) der hat das gut zusammengefasst: Das Dilemma unserer Zeit ist, dass wir die schlausten Köpfe damit beschäftigen, allen anderen das Geld abzunehmen. Potential hätten wir, wenn wir schlau wären, würden wir es sogar nutzen. Aber dafür fehlts mir vermutlich an Expertise.

Bleibt negativ
Guido


 Antworten

 Beitrag melden
07.02.2021 19:44
avatar  Uhu
#4
avatar
Uhu

Eben habe ich endlich dieses berühmte Buch von Hans Rosling (+ Sohn und Schwiegertochter) fertig gelesen. Viele von euch kennen es vermutlich schon. Ich könnte es auch hier im Forum unter den Leseempfehlungen bringen, aber es passt doch ganz gut zu dieser Diskussion um Franzens Thesen. Rosling warnt nämlich, angereichert durch Anekdoten aus seinen wahrhaft abenteuerlichen Missionen als Arzt in Krisengebieten, eindringlich vor Alarmismus und Dringlichkeits-Wahn: Erstmal in Ruhe die Zahlen studieren! Das geht sowohl gegen Franzen wie auch (z.B.) gegen Klima-Rebellen. Viele interessante Grafiken und Tabellen im Buch. Im Abschlusskapitel: Zu den "Five Global Risks", um die wir uns sorgen sollten, gehört für ihn natürlich auch der Klimawandel, aber erst an 4. Stelle. An erster steht: "eine globale Pandemie"!! So geschrieben und gewarnt 2017, kurz vor seinem Tod; das Buch erschien dann (auch auf Deutsch) 2018.


 Antworten

 Beitrag melden
Bereits Mitglied?
Jetzt anmelden!
Mitglied werden?
Jetzt registrieren!