Was ist ein gelingendes Leben

09.06.2021 22:17
avatar  Xerxes
#1
Xe

Ich habe meine Kritifk schon mündlich geäußert und möchte sie noch untermauern.
Das ist ein typisches Schwafelthema nach dem Motto: Edel sei der Mensch, hilfreich und gut.
Im Thema liegt ein Leistungsgedanke - gelingen - das ist die Zielmarke. Welcher Druck wird da aufgebaut? Oder soll am Ende bei uns stehen: Ich möchte zufrieden sein - auch so ein schwammiger Begrif.
Warum soll mein Leben gelingen? Wie ist es für andere, wenn mein Leben gelingt - wer verliert, wenn ich gewinne?
Wenn wir darüber nicht zuerst diskutieren, bekommen wir eine Ansammlung von Gutmenschen, die natürlich immer alle Gefahren für ein ethisch korrektes Leben vermeiden können und trotzdem glücklich werden. Wer glaubt denn so etwas? Wir haben die Wahl von Antworten - banal, anmaßend, selbstüberschützend, realitätsfremd, Glück am Herd, Glücksempfinden beim Glück der Mitmenschen. Oder "das wüde ich gerne erreichen, aber das wird ein Traum bleiben, der nur in Teilen gelingen kann." Wer kann da ernsthaft was Positives anführen, ohne auf die "Tröstungen der Philosophie oder der Spiritualität oder der Religion X oder Y" zu verweisen.
Beim Rückblick auf "Spiritualität" - ich habe jetzt eine lange Liste von Begriffen, die alle Spiritualität bedeuten können. Was tut man denn damit? Es gab Erlebnisberichte, von Jörg den Flash z.B. der sehr beeindruckend war, aber ob das Spiritualität ist? Kann man sagen oder auch nicht, man kann auch andere Begriffe aus der Liste verwenden - bisschen konkreter wäre schon schön.
Xerxes


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10.06.2021 12:27 (zuletzt bearbeitet: 18.06.2021 19:37)
avatar  Uhu
#2
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Uhu

Liebe Xerxesita, als ich eben deinen Kommentar las, habe ich mich gefreut und kann nicht widerstehen, ausführlich darauf zu antworten, und zwar überwiegend zustimmend. Obwohl, obwohl... Heute Nacht war mir doch schon eingefallen, wie mein Beitrag dazu hätte anfangen können, etwa so:
"Mit meinen bald 82 Jahren finde ich mein (bisheriges!) Leben eigentlich nicht sehr gelungen, aber das grämt mich nicht: '[i]C'est pas de ma juridiction[/i]', singt Brassens (oder so ähnlich: Das unterliegt nicht meiner Gerichtsbarkeit)." Eigentlich schade um diese Eröffnung, nicht wahr? Aber mir behagt das Thema auch nicht so recht, vielleicht können wir es noch etwas schärfen oder umbiegen.
Zu gestern Abend: Nachher las ich noch ein wenig in dem schönen Wenderoman "Kruso" von Lutz Seiler und stieß auf die Stelle: "Als Ed sich erhob, stürzte ein Schwarm Vögel in die Luft, und für einen Augenblick [i]war er nicht von dieser Welt[/i]." Ja, dachte ich, genau so eine Erfahrung haben einige doch gemeint in der Diskussion. Aber sollen wir das dann "spirituell" nennen?? Nein, bitte nicht. Für meinen Ausruf "In den Giftschrank damit!" muss ich mich bei einigen entschuldigen, er klingt wohl zu drastisch. In einer Schreibgruppe vor Jahren, in der wir unsere Texte manchmal hart kritisierten, wurde er gebraucht für Ausdrücke, die zu abgegriffen waren oder auch zu vorbelastet. (Ich erinnere mich nur, dass ich abgewatscht wurde für "geschäftiges Treiben"; ein anderer für "herbe Schönheit".) Ist also nicht so böse gemeint. Übrigens könnten einige von uns das Wörtchen "genau!" für eine Weile in diesem Giftschrank kaltstellen. (Gut, das ist jetzt doch bös gemeint.)
Also spricht der alte Uhu

Nachtrag, 10 Tage später:
Mein Einfall und Vorschlag zur Schärfung und Umbiegung des "gelingenden Lebens":

"Du musst dein Leben ändern!" - Müssen wir? Sollten wir? Können wir das überhaupt? - Eigene Erfahrungen dazu.


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21.06.2021 13:21
avatar  Xerxes ( Gast )
#3
Xe
Xerxes ( Gast )

Danke, lieber Uhu, da sind wir mal wieder einer Meinung oder zumindest einer ähnlichen Meinung. Bei Deinem Vorschlag zur Änderung des Lebens ist mir aufgefallen, dass damit immer eine Offenbarung des vergangenen Lebens implicit ist. Mag das jemand wirklich ausbreiten? Das ist mir persönlich zu privat. Es kann um einen Aspekt im Leben geben -Berufswechsel, Hobbys, Reisen, - da hat man was Neues angefangen, aber so global "mein Leben
"?? Vielleicht ist mein Vorschlag eine Schärfung: Diese Idee hat zu einer Änderung meines Reiseverhaltens......"geführt, das könnte interessant sein und auch Anstoß geben.
Bifn gespannt, wie das Thema dann mal lauten wird.


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02.07.2021 21:47
#4
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Liebe Xerxes,

anscheinend gehöre ich zu den Schwaflern, da ich auch ein „typisches Schwafelthema“ gerne in unserer Runde bespreche.

Aber dann muss halt Schwafeln eine andere Bedeutung haben, als ich es üblicherweise damit verbinde.

Hier erwarte ich einen Erfahrungsaustausch, der mir Denkanstöße für mein Leben gibt, der natürlich ein gewisses Offenbaren der eigenen Person erfordert. Dazu muss aber nicht jeder bereit sein und jede hat die Möglichkeit, ihre Äußerungen entsprechend zu steuern. Solch ein Thema halte ich sogar für unverzichtbar in einem Kreis, in dem Menschen sich gemeinsam weiter entwickeln wollen. Es ist ja nicht so, dass wir nur solche, wenig konkrete, Themen diskutieren.

Rückblickend: Für mich war es eine wesentliche Erkenntnis, zu erkennen, wie unterschiedlich es ist, was alles unter Spiritualität verstanden wird und das hat mir viele vergangene Diskussionen und Aussagen im Umfeld der Spiritualität leichter verstehbar gemacht und meine Toleranz gefördert. Und diese Erkenntnis kann ich auf viele andere Themen übertragen, vermutlich auch auf das folgende Thema „Gelingendes Leben“.

Die Vielschichtigkeit des „gelingenden Lebens“ könnte damit ein Punkt in den persönlichen Aussagen sein, d.h. jede Teilnehmerin, die möchte, könnte zu Beginn kurz erklären, was sie darunter versteht und dann könnte jeder etwas Persönliches dazu sagen.


Lieber Uhu,

danke für Deine Relativierung des Giftschranks für den Begriff Spiritualität. Für mich persönlich ist es schon schwierig, ein Thema ergebnisoffen zu diskutieren, wenn ich weiß, dass gerade Menschen, die ich persönlich und intellektuell sehr schätze, anscheinend schon in solcher Härte ablehnen.
Eine gute Frage zur Aufklärung in einer solchen Situation wäre sicher: „Was meinst Du denn damit?“. Aber darauf komme zumindest ich leider nur manchmal spontan.

Wolfgang


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03.07.2021 14:05 (zuletzt bearbeitet: 08.07.2021 18:26)
avatar  Scottie
#5
Sc

sorry, ein andermal vielleicht ...

inzwischen weiß ich allerdings von Wolfgang, dass dieses Thema aus der Teilnehmerschaft kam, was ich zwengs meiner fortwährend zickenden Maschinerie nicht mitbekam. Somit bellte ich unter dem falschen Baum und möchte in aller Form um Verzeihung bitten, wenn ich a) in meiner Ratlosigkeit und b) instinktiv sowas wie "mein Haus, meine Yacht, meine Pension und meine Arzt- und Juristenkinder" argwöhnend Stress und ebenfalls Ratlosigkeit erzeugt habe. Natürlich weiß die ratio, dass es darum nicht gehen kann oder wird, und ich bedauere umso mehr, aller Voraussicht nach nicht teilnehmen zu können.
Bei mir stellen sich wieder die Volkstanzunterrichtenstermine ein, weswegen ich in absehbarer Zeit nur noch dann dabei sein kann, wenn mir von meinen Teilnehmern abgesagt wird. Das ist bedauerlich, aber Teil meiner täglichen Bemühung um ein "Gelingen" meiner Unternehmung in winzigen Schritten. Ich danke euch allen mehr als ihr euch vorstellen könnt für gute und interessante Abende beim Treffpunkt Humanismus, an denen viel Gutes angestoßen wird.


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04.07.2021 17:54
#6
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Hallo liebe Humanistinnen und Humanisten,

mein Zugang zu Lebensfragen kann u.a. die Philosophie sein. Und dort habe ich gelesen, dass das Thema "Lebenskunst" quasi ein Dauerbrenner ist. Ist ja eigentlich auch verständlich, weil ich mir vorstellen kann, dass sich jeder heranwachsende Mensch früher oder später fragt "Wie soll ich mein Leben für den Rest meiner Zeit auf Erden gestalten?"
Nun mögen sich viele in dieser Runde (besonders die Teilnehmerinnen mit höherem Alter) fragen, was soll ich noch mit der Frage nach einem gelingendes Leben für mich anfangen, dies ist nun rum.
Ich nehme diese mögliche Antwort nicht ab, außer dieser Mensch ist in allen Belangen zufrieden bis glücklich.
Die Dimensionen von Glück und Zufriedenheit beruht selbstverständlich auf den eigenen Festlegungen. Von diesen aber von anderen Menschen zu hören (auch gerade von Älteren) finde ich sehr spannend und anregend.
Folgendes von Scottie:

Zitat von Scottie im Beitrag #5
Wir lachen, wir leiden, wir teilen, wir irren, wir suchen, und manchmal stoßen wir uns ab und verknüpfen uns wieder oder auch nicht. Jeder ist doch froh, wenn der eigene Schmarrn halbwegs im Lot bleibt und ein wenig Raum bleibt für Teilhabe und für das, was einen im Innersten bewegt, berührt, menschlich erquickt.

finde ich eine schöne Beschreibung, welche Tätigkeiten und Erlebnisse das Leben an sich lebenswert machen kann.
Und, reicht dies aus, um das eigene Leben als bisher gelungen zu bezeichnen?
Ich teile Wolfgangs Ansicht, dass durch den Austausch der Ansichten, was für uns einzelne ein gelingenes Leben für einen selber ausmacht, die Verbundenheit von uns untereinander erhöht wird.
Klar, ich werde nun nicht in dieser Form - Online mit mehr als einem Menschen - meine emotional wichtigen Momente im Detail ausbreiten, diese emotionale Last möchte ich keinem bei diesem Treffen zumuten noch möchte ich teilnehmen an solchen (wir sollten die Fassung bewahren können). Dennoch können auch ohne emotionale Details Einblicke gegeben werden in meine Persönlichkeit. Und @Scottie: Ja, wir sollten als Zuhörerinnen auch behutsam sein bei diesem Thema, weil es passieren kann, dass es persönlich wird, daher verstehe ich, dass dieses Thema schwierig werden könnte.
Ich bin mir sicher, wir werden bei diesem Thema etwas über die Menschen (als Menschheit, nicht von jeder Teilnehmerin) lernen. Und dies ist für mich ein Punkt, warum ich mich Humanist nenne und an dem "Treffpunkt Humanismus" teil nehme.
Und für alle, die das Konkrete fordern, hier meine spontan gegebene Liste an Leitfragen:
- Habe ich mein Leben im Griff?
Erläuterung: Fühle ich mich als Steuerfrau am Ruder meines Lebens, oder bringt mich jeder starke Wind ab von meinem Lebenskurs? Selbstbestimmung, Einstellung zu Agieren oder reagieren.
- Wie halte ich es mit den Erwartungen an mein Leben?
Erläuterung: Ideale, Optimismus, Pessimismus, Realität
- Wie könnte ich mit Krankheiten und Alterseinschränkungen umgehen?
Erläuterung: Manche Menschen verlieren bei Krankheit und zunehmenden Alter nicht ihren Lebensmut, woran könnte dies liegen, wie schaffen sie es?


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05.07.2021 23:26 (zuletzt bearbeitet: 06.07.2021 00:39)
avatar  Uhu
#7
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Uhu

Danke, Wolfgang, Holger und Scottie, endlich bewegt sich wieder etwas im Forum!
Und ich kriege gleich Lust, euch zu antworten und gehe jetzt davon aus, dass wir am 14. Juli das Thema „Was ist ein gelingendes Leben?“ behandeln und zwar, wie besprochen, eingeleitet durch ein paar persönliche Aussagen dazu von Teilnehmenden. Gut so, ich stelle gerne meine Bedenken zurück und Eva/Xerxes möge mir verzeihen, dass ich sie mit ihrer kritischen Haltung zum Thema alleine lasse.

Vorweg: Ist euch klar, dass wir schon am 28. September '20 ein sehr ähnliches Thema hatten?
„Was brauchen wir wirklich für ein gelingendes Leben?“, hiess es. Ich war nicht dabei; ob jemand vom Verlauf oder Ergebnis der Diskussion kurz berichten kann?

Bevor ich auf euere Beiträge eingehe, muss ich noch zurückkommen auf das, was ich oben im Post # 2 über mich selbst gesagt habe: Ja, ich finde einiges in meinen 81 Lebensjahren nicht so gelungen, ich konstatiere das: Es lief halt so. Eine andere Frage ist, was ich mit dem bescheidenen Rest jetzt noch anfange. Das geschieht mir ja nicht einfach, sondern es liegt (auch) an meinem Bemühen, wie mir gelingen wird, was ich mir noch vornehme – und unsere Diskussion könnte sogar Einfluss darauf haben. (Ihr seht schon: Durch unsere Formulierung mit dem Gelingen kommt unweigerlich die subjektive Freiheit mit ins Spiel! Das gefällt mir; hätten wir nur von einem guten oder erfolgreichen Leben gesprochen, wäre das nicht so deutlich.)
Das „Du musst dein Leben ändern!“ war dann überwiegend(!) ironisch gemeint. Es stammt ja aus einem berühmten Rilke-Gedicht und Sloterdijk hat ein ganzes Buch darüber geschrieben und eine 70-jährige nahe Verwandte erzählt mir immer noch, ernsthaft, dass sie dringend ihr Leben ändern muss. Damit es dann auf einmal doch gelingt? Ich rate ihr (und mir) zu kleinen Schritten. Etwa das, was Xerxes in #3 meinte?

Zu Wolfgang: Bestimmt ist es lehrreich, die unterschiedlichen Auffassungen zum „Gelingen“ kennenzulernen. Aber ich erwarte mir noch ein bisschen mehr: dass wir zusammen versuchen zu verstehen, ob dieser Anspruch des „Gelingens“ uns weiterhilft oder eher in eine Sackgasse führt.

Zu Scottie: Ist es nicht diese letzte Befürchtung, die aus deinem Beitrag spricht? Aber nicht allen gelingt es, "den eigenen Schmarren" lebenslang im Lot zu halten. Ist doch schon allerlei... (Und ist nicht ein "Schmarren" ursprünglich ein nicht gelungener (!) Eierkuchen?)

Zu Holger: Mir gefällt deine Konkretisierung: „das eigene Leben im Griff haben“, dazu das Bild vom Steuermann und den widrigen Winden und Strömungen. Daran kann man weiterdiskutieren: War es dann wirklich der richtige Kurs? Hätten wir uns dieser oder jener Querströmung ruhig mal überlassen sollen?

Ferdinand


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06.07.2021 14:43 (zuletzt bearbeitet: 12.07.2021 09:55)
avatar  Scottie
#8
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Sehr geschätzter Ferdinand,
es berührt mich immer wieder, deine weisen, tastenden und freundlichen Gedanken zu lesen und zu hören.

@Archimedes mit seinem Beitrag #9: was meinst du, wie ich sie liebe, die Zufallstreffer im Leben, wenn einem völlig ungeplant Situationen begegnen, die man passender nicht hätte planen können? Zumal ... wie nur sollte man etwas planen oder ein Ziel anpeilen können, von dem man im voraus gar nicht weiß, dass es existiert? Dennoch nicht in einer passiv erwartenden Haltung, sondern tätig, übend, lernend, forschend, wagend ... sehr erfrischend und geradezu märchenhaft, wenn man's aushält, was einem dabei an Gefahren, Neuland und Rätselhaftem begegnet und man stes damit zu rechnen hat, dass es zu keinem Zeitpunkt die Vorhersage eines Ausgangs mit heiler Haut gibt ... ; -))


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06.07.2021 18:48
#9
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Das ist wirklich sehr interessant, was Ihr zu diesem Thema denkt.

Ich frage mich, ob unser Leben nur dann bzw. nur insoweit gelungen ist, wenn bzw. als wir alle oder einige unserer selbstgesteckten Ziele erreicht haben, oder ob unser Leben auch dadurch gelingen kann, dass wir erkennen, dass einige unserer Ziele, die wir nicht erreicht haben, gar nicht die „richtigen“ Ziele für uns waren, oder dass vielleicht gerade eine Zielverfehlung uns einen vorher ungeahnten, alternativen Weg im Raum unserer Lebensmöglichkeiten eröffnet hat, auf dem wir dann unverhofft doch noch zur Zufriedenheit oder gar ein kleines bisschen Glück gefunden haben.

https://www.youtube.com/watch?v=zNlA1_HY-Lg

Unsere Ziele können wir auch erreichen, indem wir uns erreichbare Ziele setzen. Andererseits sollten wir uns, damit unser Leben „gelingen“ kann, auch ein paar ehrgeizige Ziele setzen, die wir dann vielleicht nicht erreichen. No risk, no fun.


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06.07.2021 19:44
#10
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Hallo an alle Lesenden und Schreibenden,

die hier gestellte Frage könnte auch mit dem Aspekt Fremdwahrnehmung versus Selbstwahrnehmung verknüpft werden. Ich persönlich halte das Nachspüren der Fremdwahrnehmung bei dieser Fragestellung - Was ist ein gelingendes Leben? - für nicht zielführend. Ich bin davon überzeugt, dass die Selbstwahrnehmung hier den Schwerpunkt bilden sollte, also gemäß "Was halte ich davon, ob ich mein Leben als gelungen ansehe oder nicht?" Die Frage impliziert, dass wir uns selber die Kriterien bilden, anhand derer wir unser Leben beurteilen. Ein Mensch liegt mehr Wert auf Momente des Genusses, ein anderer hält die Momente des sportlichen (Eigen-)Triumphes für entscheidend.
Weiterhin gebe ich zu Bedenken, dass sich diese Fragestellung im Laufe des Lebens eines Menschen wandelt. Junge Menschen schauen schwerpunktmäßig eher in die Zukunft und fragen sich "Wie will ich mein Leben gestalten (damit es sich als gelungen herausstellt)?" Menschen, die vom Alter näher an dem Durchschnittsalter sich befinden, mögen eher in die Vergangenheit schauen, auch allein, weil sie viele Erfahrungen (zwangsläufig) gesammelt haben. Aber wie Uhu/Ferdinand schon anführte, die Frage nach der eigenen Zukunft ist im Grunde immer aktuell für ein selbst.
Und weil es mir eben einfiel und es für passend halte: Julian Nida-Rümelin spricht von der "Strukturellen Rationalität" beim Menschen. Was verbirgt sich dahinter? Ich habe mir dies so gemerkt, dass wir Menschen Lebensentscheidungen treffen, die sich auf die Verhältnisse (Strukturen) in denen wir leben (wollen) auswirken. Zwei kleine Beispiele zur Erläuterung: "Soll ich heiraten oder reicht 'wilde Ehe'?" oder auch "Soll ich jetzt in das Altenheim gehen, oder nicht?". Und erst beim Betrachten der Strukturen, die solche Entscheidungen nach sich ziehen, kann die Rationalität von Menschen beurteilt werden.
Abschließend möchte ich eine kritische Anmerkung loswerden zu dem Einfluss von Lebensidealen, wie "Richte Dein Leben so aus, dass Du stets glücklich bist". Warum sehe ich in dieser idealistischen Sichtweise eine Gefahr? Weil bei dieser Betrachtung die biologischen Grundlagen der menschlichen Gefühle falsch verstanden werden (resp. unausgesprochen vorausgesetzt werden). Positive Gefühle sind nie "stets" zu fühlen, realistisch betrachtet, sind Momente der Freude und des Glücks immer nur sehr kurz. Also, schon von unserer biologischen Ausstattung können Menschen nie "stets glücklich" sein. Durch eine solche unrealistische Aufforderung kann es, sofern diese ernst genommen wird, nur zu Enttäuschungen kommen, deshalb Finger weg von idealistischen Aussagen.
Zusammenfassend meine Anregungen:
- Selbstwahrnehmung, Herausbilden eigener Kriterien zur Bewertung des eigenen Lebens
- Diese Fragestellung kann in jedem Lebensalter relevant sein.
- Bei Entscheidungen für die Zukunft: Achtet auf die Strukturen für Eurer Leben.
- Ist die Ablehnung idealistischer "Lebensweisheiten" gerecht fertigt?

Viel Spaß am 14. Juli 2021, ich bin an diesem Tag nicht bei Euch.


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13.07.2021 21:48 (zuletzt bearbeitet: 13.07.2021 21:49)
avatar  bob
#11
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bob

Geschätzter Ferdinand! (Antwort auf #2)
Besondere Freude empfand ich bei deinem "das Wörtchen "genau!" für eine Weile in diesem Giftschrank kaltstellen"!
Da dachte ich mir: "Gena... uuppps."
Mark Twain schrieb in "The Awful German Language", dass selbst einer ohne deutsche Sprachkenntnisse in einer Konversation unter Deutschen mithalten kann, wenn er ab und zu eines von den zwei allesbedeutenden Wörter -- Schlag und Zug -- willkürlich einsetzt. Das ist heute viel einfacher: alle 10 Sekunden "Genau!" proklamieren und alle denken, du bist live dabei.
Bob


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13.07.2021 22:42
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#12
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bob

gelingendes Leben

Es macht einen riesigen Unterschied, ob wir gelingendes oder gelungenes Leben sagen. Das Erstere ist live, das Letztere ist ex post facto.
Ich habe mit manchen besprochen, dass es mir sehr leid täte, wenn die Diskussion an materialistischen Erfolg hängen bleibt. (Siehe den Beitrag von Scottie #5.) Alle waren sich sicher, dass wir Humanisten so etwas sicher nicht tun.
Ich wollte neue Perspektiven einbringen und dachte, da suche ich mal im englischsprachigen Netz. Erstes Problem: übersetze "gelingendes Leben". In einem Online-Übersetzungsprogramm gab ich ein: "gelingendes Leben / gelungenes Leben". Beide kamen als "successful (erfolgreiches) life" zurück. Dann folgt der Schritt des Auswählens von Alternativen. Die meisten waren Müll. Meine Übersetzung -- rewarding life -- war gar nicht dabei. Vielleicht wäre fulfilling besser, aber dann werde ich sicher auf die Spirituelle und EsoterikerInnen stoßen. Meine Suchergebnisse bei "rewarding life" spiegelte die Leistungsmentalität der (überwiegend) Amerikanern. Beispiele:
Life Is Not About Rewards and Punishments, But There Are Consequences
More rewarding life with success, happiness, prosperity and contentment
Und die Krönung:
52 ways to make life 68% more rewarding
Bei vielen anderen ging "rewarding" gleich in Richtung Himmel und Hölle. Andere waren Coachingangebote. Da habe ich nicht lange durchgehalten.


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14.07.2021 10:50 (zuletzt bearbeitet: 15.07.2021 12:35)
avatar  Scottie
#13
Sc

@Bob Beitrag #11:


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14.07.2021 17:14 (zuletzt bearbeitet: 15.07.2021 12:53)
avatar  Scottie
#14
Sc

@ Bob Beitrag #12

Ich hadere ebenso mit dem mir unfasslichen Begriff eines gelingenden/ gelungenen Lebens. Der Gesprächsabend wird es erhellen.


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